Angewiesen

Heute wollen wir beinahe 20 Kilometer von Schrozberg bis Langenburg pilgern. Der Tag wird neue Hitzerekorde hervorbringen. Aber wir wissen, dass uns auf halber Strecke ein See erwartet und eine Gastwirtschaft.

Der See ist wunderbar: Schatten, eine Bank, mehrere Zugänge zum See, wir sind ganz alleine hier und genießen das Schwimmen in vollen Zügen.

Jedoch der nahe gelegene Ort lässt nichts freundliches erkennen. Am Eingang weht eine Deutschlandfahne, auch ich als Deutsche fühle mich da nicht willkommen. Die Gastwirtschaft ist geschlossen, ohne Angaben von Gründen und Öffnungszeiten. Wir haben noch 10 Kilometer durch Feld und Wald vor uns. Der Ort ist in der Mittagshitze wie ausgestorben. Einer der wenigen Bewohner, auf den wir zugehen, begrüßt uns damit, dass er keine Zeit habe. Aber dann lässt er uns doch von einem Außenhahn Wasser entnehmen.

Und wieder macht uns Wald die Hitze erträglich. Plötzlich befinden wir uns in einem Windpark mitten im Wald. Mir scheint, auch die Rotorenblätter drehen sich träge.

Und dann führt uns der Jakobsweg zu einer Stätte unermesslichen Leidens, einer “Putenproduktionsfabrik“. Die Tiere können sich kaum bewegen, sie sind in ständigem unfreiwilligem Körperkontakt miteinander. Es gibt einige Wasserstellen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, wie die Schwächeren da hin kommen. Die Tiere schreien für meine Ohren erbärmlich. Ich sehne eine mutige Tierschutzorganisation herbei und schäme mich dafür, wohin unsere “zivilisierte Menschheit“ gekommen ist. Ich fürchte, diese Tierhaltung ist im Rahmen des Legalen. Wie traurig, wenn Legalität und Recht so weit auseinander klafft.

Dagegen wird für unsere Bedürfnisse bestens gesorgt. Unser Zimmer ist ein Kleinod mit Jagsttalblick. Nach vielem lauwarmem Wasser heute gibt es die erfrischendsten Getränke und wir genießen bestes vietnamesisches Essen im Royal DT Café, bei dem vegetarische Gerichte ganz oben auf der Speisekarte stehen. Zumindest auf diese Weise bitten wir die Puten um Vergebung.