Kommunität Grimnitz - Vision im Prozess

Als erstes fallen mir die hohen, mächtigen Bäume mit so saftigem Grün in den Blick. Ich denke: Dieser Ort ist gesegnet. Vielleicht spüren es ja die Bäume, dass Bewahrung der Schöpfung zusammen mit Frieden und Gerechtigkeit hier seit der Gründung die grundlegende Vision ist. Und von den beiden riesigen Kastanienbäumen ist einer leicht von Miniermotten befallen, einer gar nicht. Auf dem Weg durch Brandenburg sehen an vielen Orten die Bäume erbärmlich aus. Der Wassermangel schon im zweiten Jahr in Folge bleibt nicht ohne Folgen.

Umso schöner, hier einer Pracht von Bäumen, Blumen und Kräutern zu begegnen. Und an den Weinreben am Haus sind die Trauben reif.

Aus der Ferne habe ich den Weg der Kommunität Grimnitz seit ihrer Gründung verfolgt. Ich kenne einige der Gründungspersönlichkeiten. Manche sind nach einigen Jahren eigene Wege gegangen und haben die Kommunität Lech Lecha gegründet. Claus Dieter Schulze ist geblieben bis zu seinem überraschenden Tod. Wie ist das mit den Visionen der Gründer*innen, wenn sie nicht mehr da sind und andere die Verantwortung übernehmen? Wie geht es der Kommunität Grimnitz heute?

Ich plane, ein Wochenende in der Kommunität zu sein, und dies zu verbinden mit der Begegnung mit Beatrix Spreng und der Gemeinde Joachimsthal. Und beides hat ja miteinander zu tun. Über Bea hat die Kommunität diesen wunderbaren Ort gefunden. Bea ist Vorsitzende des Freund*innenvereins der Kommunität. Und Kommunität und Gemeinde arbeiten bestens zusammen, beispielsweise im Bereich Begleitung von Geflüchteten und Kirchenasyl. 

Trotz sehr kurzfristiger Planung nehmen sowohl Bea als auch Renate Ellmenreich sich für mich Zeit. Renate zeigt mir die Räume der Kommunität und bereitet für uns einen Salat mit Zutaten aus dem Garten zu. Später kommt Britta, eine Künstlerin aus Neukölln hinzu und bringt Rotwein mit. Bis fast Mitternacht sitzen wir auf der gemütlichen Terrasse mit Blick auf das großzügige Rund der Anlage, dessen warmes Rot sich im Verlauf des Abends intensiviert.

Die Frauen lassen mich an den Visionsprozessen teilhaben. Claus Dieter hatte kurz vor seinem Tod Renate mit der Leitung betraut. Ich darf etwas von ihrer beeindruckenden Biographie erahnen. Sie ist in der Nähe von Grimnitz geboren, hat 30 Jahre im Osten gelebt, 30 Jahre im Westen und 10 Jahre in Afrika. Sie ist Pfarrerin im engagierten Ruhestand. Ihrer Erfahrung nach ist auch 30 Jahre nach der Wende die Ost - West Geschichte weiterhin Thema, auch in der Kommunität. Zuallererst war die Gründung einer Kommunität eine Initiative des Westberliner Praktisch-theologischen Ausbildungsinstituts, das Claus-Dieter in den letzten Jahren bis zu seiner Schließung geleitet hatte. Dann kamen als Gründungsmitglieder auch die Ostberliner Jutta und Hans-Jürgen Fischbeck hinzu, die im kirchlichen und politischen Leben vor und nach der Wende eine bedeutende Rolle spielten. Sie lebten 10 Jahre lang in der Kommunität. In den letzten Jahren war wiederum Claus Dieter sehr prägend. Nun ist Renate in leitender Verantwortung. Eine Erweiterung der Vision und der Werte hat begonnen.

Die Vision darf sich weiterentwickeln. Zu den konziliaren Anliegen “Friede, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung“ fügt Renate noch Freiheit hinzu, auch Freiheit zum Widerstand. Freya von Moltke ist ihr Inspiration und natürlich Martin Luther: Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen.

Eine wichtige Erfahrung war, als sie gemeinsam mit Claus Dieter in der Begegnungsstätte Kreisau war. Er hat intensiv zugehört und verstanden, was Renate wertvoll ist.

Ja, es leuchtet mir ein, dass Renate in die Kommunität eine Sensibilisierung dafür einbringt, wo westliche Überheblichkeit noch nicht wirklich überwunden ist. Und als Frau, die mit Herz und Verstand in Afrika gelebt und gearbeitet hat, kommt das Gewahrsein für weiße Überheblichkeit noch hinzu.

Renate ist in der Kirchengemeinde engagiert. Sie hält Gottesdienste, leitet eine Willkommensgruppe und sie besucht Nachbar*innen, die Geburtstag haben. Sie ist sehr nah bei den Menschen. Welch ein Gewinn für die Kommunität und für die Gemeinde.

Und andere Menschen, die hier wohnen, arbeiten, künstlerisch tätig sind, die Stille und Verbundenheit mit der beseelten Schöpfung suchen, lerne ich ein wenig kennen. Und ich lasse mir erzählen, welche Visionen sie hier leben möchten. Es ist vieles da, und das wirkt weiter. Zugleich ist viel Raum da und Menschen sind eingeladen, die Vision im Prozess mitzugestalten. Und natürlich gehören zu diesem Prozess auch Konflikte. Es sind schließlich sehr verschiedene Biographien und Lebensentwürfe, die hier etwas Gemeinsames gestalten wollen, etwas, das den Menschen und dem Leben in der Nähe und der Ferne dient.

Die Webseite spricht von einem Zentrum der Begegnung zwischen Kulturen und Religionen und sie benennt Dietrich Bonhoeffer und Dorothee Sölle als geistige Eltern: Kirche für andere. Mystik und Widerstand.

Ich meine, dies sind wesentliche und spannende Prozesse und ich bin sehr dankbar, dass ich diesen Findungsweg einige Schritte mitgehen durfte.

Allen Segen für die weiteren Visionsprozesse und für den gelebten Alltag. Und hier fallen mir wieder die wunderbaren Bäume ein und Psalm 1:

Wer nach den Weisungen der Lebendigen lebt, wird sein wie ein Baum, gepflanzt am Wasser, der seine Wurzeln zur Quelle hin streckt. Auch wenn Dürre und Hitze kommen, sorgt und fürchtet er sich nicht. Er bringt seine Frucht zu seiner Zeit.