“I thirst“

“I thirst - mich dürstet“. 

In jeder Kapelle und Wirkstätte der Schwestern der Mutter Theresa ist ein Kreuz mit diesem Jesuswort zu finden.

“I thirst - you did it to me.“ “Alles, was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Geschwistern, das habt ihr mir getan.“ Christus begegnet in der Eucharistie in Gestalt des Brotes, und Christus begegnet in den Menschen, insbesondere in den Armen, den Hungernden, Dürstenden, denen ohne Obdach, den Fremden, den Kranken, den Gefangenen. I thirst. Das lässt auch an die Seligpreisung Jesu denken: Selig sind, die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit.

im kleinen Hinterhofgarten der Schwestern
im kleinen Hinterhofgarten der Schwestern

Von Mutter Teresa wurden sie in Kalkutta gegründet, die “Schwestern der Mutter Teresa“ oder auch “Missionarinnen der Nächstenliebe - missionaries of charities“. Wie Mutter Teresa tragen sie weiße Saris mit blauen Streifen. Sie beginnen den Tag mit Meditation, heiliger Messe und Eucharistie. Regelmäßige Gebetszeiten gehören ebenso zum Alltag wie die Begegnung mit den Bedürftigsten. Insgesamt leben 5 100 Schwestern in 137 Ländern auf allen Kontinenten. In Kalkutta ist es eine große Kommunität, meist sind es vier oder fünf Schwestern, die gemeinsam Spiritualität und Weltverantwortung leben. Und sie sind insbesondere an Orten der Not präsent. Schwester Mironja, die Leiterin des Konvents, die ich kennen lernen darf, war zuvor in Bulgarien in einem von Roma bewohnten Slum. Hier haben sie Kinder unterrichtet. I thirst. Mich dürstet, auch nach Wertschätzung und Bildung.

Hier wird geschnippelt.
Hier wird geschnippelt.

Seit 1984 sind sie Teil der katholischen Gemeinde Sankt-Marien-Liebfrauen in der Wrangelstraße und betreiben da eine Suppenküche. Wer bei google Suppenküche Berlin eingibt, findet sie an zweiter Stelle. Die erste Stelle hat ein Restaurant erobert. Jeden Tag wird hier gekocht, alle sind willkommen, 80 bis 200 Personen kommen pro Tag.

Ich habe zwei Schwestern beim Frühstück in der Naunynstraße kennen gelernt und die Chance ergriffen, ihre so kostbare Arbeit durch einen Tag Mitarbeit ein wenig kennen zu lernen. Ich bin willkommen.

Gestern, am Montag, bin ich um 9 Uhr da. Schwester Mironja begrüßt mich herzlich. Auf dem Hof der Gemeinde stehen kleine Transporter. Lebensmittel von der Berliner Tafel werden geliefert. Viel Gemüse und Brot ist dabei. Drei junge Männer arbeiten schon, ich komme dazu, später noch eine Frau aus Zehlendorf, die seit 20 Jahren beim Zubereiten hilft. Manche arbeiten in der geräumigen Küche, ich freue mich über den Platz im Garten, der von den Schwestern liebevoll gestaltet ist und zur Andacht einlädt.

Ich bearbeite den Salat von der Tafel und Pfifferlinge, lass mir etwas von der Lebensgeschichte meiner Mitschnipplerin erzählen. Die jungen Männer arbeiten schweigend. Sie kommen aus verschiedenen Kulturen. Vielleicht haben die Schwestern eine Ahnung von ihren Lebensgeschichten? Zwei der fünf Schwestern sind dabei. Ich empfinde ihr Dasein, Leiten und Organisieren als sehr angenehm, gelassen, fließend. Alles ist bestens organisiert. Um 11.30 Uhr endet dieser Teil des Tagwerks. Die Schwestern gehen jetzt zum Beten, Mittagessen, Mittagspause. Um 14.30 Uhr geht's weiter.

Als ich wieder komme, sind schon zahlreiche Gäste da. Sie warten auf dem Hof. Einige haben ihr Hab und Gut dabei, in riesigen Tüten, Rollis, behängten Rollatoren. Das Elend ist zu sehen und zu riechen. Innen laufen die Vorbereitungen. Alle Schwestern sind da, dazu zwei junge Männer aus Südamerika und ich. Ich bekomme meinen Platz zugewiesen und meine Aufgabe bei der Essensausgabe. Die Türen werden geöffnet und alle finden ihren Platz. Es geschieht freundlich und gut organisiert. Die Aktiven vermitteln Klarheit und Ruhe. Die meisten Gäste scheinen die Abläufe zu kennen und zu respektieren, vielleicht ja auch zu mögen.

Der junge Mann, der sich als ein Praktikant aus Brasilien vorstellt, hält eine kleine Andacht: Evangeliumslesung, drei Impulse zur Auslegung, Gebet, Vater unser, Ave Maria. Und dann zum Schluss dsd Gebet meiner Kindheit:

Komm, Herr Jesu, sei du unser Gast

und segne alles, was du uns bescheret hast.

Und dann beginnt die Austeilung. Die Gäste bleiben sitzen und bekommen alles gebracht. Wer Nachschlag möchte, reicht einfach seinen Teller. Und es kommen Menschen mit Behältern für ein Essen zuhause oder für andere Bedürftige. Respekt und Zuwendung prägt die Atmosphäre. Ich merke, wie ich zu Wertungen neige: Braucht dieser Mann wirklich noch eine dritte Portion? Warum muss die junge Frau mitten in die Austeilung hineinplatzen mit ihrem sehr dringlichen Toilettenbedürfnis? Die Schwestern fragen und werten nicht, und ich lerne gerne von ihnen.

Ich bin übrigens in unserem Team die einzige mit der Muttersprache Deutsch. Und ich bewundere vor allem die Schwestern mit ihren Sprachkompetenzen. Eine Schwester aus Indien spricht drei indische Sprachen, dazu französisch, slowenisch, kroatisch, deutsch und natürlich englisch. Das ist die Sprache dieser internationalen Gemeinschaft und ihrer Liturgie.

Auch das Ende der Mahlzeit verläuft gut organisiert, flüssig, eingeübt. Einige Gäste bedanken sich und loben das gute Essen. Die Gäste wissen, was wohin kommt, in der Küche hat der Abwasch schon begonnen. Dann werden Tische und Stühle abgewischt, es wird gefegt und gewischt, der Tisch für den nächsten Tag vorbereitet. Unser Team arbeitet bis zum letzten Löffel und Riesentopf konzentriert zusammen. Manche der Gäste sind, wenn es gebraucht wird, bereit zu helfen.

Mit einem gegenseitigen Dankeschön und mit spürbarer Sympathie verabschieden wir uns von einander. Ich gehe hinaus auf die Wrangelstraße in den gentrifizierten Kiez, wo, Gott und den Menschen sei Dank, Armut und Fremdsein weiterhin zu sehen und zu erfahren ist. Und wo Visionen davon gelebt werden, dass alle Menschen Töchter und Söhne Gottes sind und in einer liebevollen Gemeinschaft satt werden können.

Immer wieder treibt sie neue Blüten
Immer wieder treibt sie neue Blüten

Last not least:

Mithilfe ist auch sporadisch und kurzfristig willkommen, bei der Essenszubereitung, beim Austeilen und beim Abwasch. Die Kontaktdaten sind, wie geschrieben, leicht zu finden. Und die Schwestern sind Meisterinnen im Einbeziehen.