Wandern - pilgern - hüten

Mein 17-jähriger Neffe hat mich gefragt: Was ist denn der Unterschied zwischen Wandern und Pilgern? Seine These: Pilgern ist Wandern mit Nachdenken.

Ich finde die Frage richtig gut und habe sie mir selbst auch gestellt, zumal ich mit Stefan schon viel gewandert bin.

Ich meine, die Übergänge sind fließend und das sollen sie auch sein. Jedes Wandern kann zum Pilgern werden, jeder Lebensweg zur Pilgerinreise, jeder Schritt uns zu Gott, zu uns selbst, zum Herzen des Lebens führen. Pilgern wäre dann ein Einüben in eine gewisse Weise des Unterwegsseins.

Pilgern ist Wandern mit Nachdenken. Ja, das kann es sein, und insbesondere der Hildegard von Bingen Weg gibt Impulse dazu aus ihrem Werk Scivias - wisse die Wege. Pilgern kann aber auch Wandern sein, bei dem wir immer wieder das Nachdenken lassen und ganz in die Achtsamkeit gehen, uns selbst spüren, jeden Schritt, jeden Atemzug. Uns selbst liebevoll wahrnehmen, das, was uns umgibt und begegnet, wahrnehmen.


Pilgern kann wahrnehmendes Wandern sein, die kleinen und großen Wunder wahrnehmen, das Leidvolle und Verletzte wahrnehmen. Und das ist uns beispielsweise in Gestalt von Dürre, beschädigten Wäldern, Massentierhaltung, Dörfern ohne Hoffnung, verbitterten Menschen begegnet.

Pilgern kann betendes Unterwegssein bedeuten. Uns selbst und das, was uns begegnet, der liebenden, befreienden, heilsamen Wirklichkeit hinhalten.

 Die Pilgerin darf mit der Zusage gehen:

Ich will dich segnen und du wirst ein Segen sein.

Sie darf um das Leiten der heiligen Geistkraft bitten:

Und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.

Eine schöne Erweiterung unseres Pilgerverständnisses wurde uns in Esslingen geschenkt. Am Zielort unseres Teils des schwäbischen Jakobsweges waren wir in einer Ausstellung:

GOOD!SPACE

Communities 

oder das Versprechen von Glück.


Hier haben wir diese Skulptur entdeckt. Wir assoziierten eine Pilgerin. Die Künstlerin hat sie jedoch “die Hirtin“ genannt. Diese Erweiterung nehme ich gerne an:

Pilgern kann auch die Dimension von Hüten bekommen. Dieses verwundete und wundervolle Leben wahrnehmen, begehen, uns unserer Angewiesenheit bewusst werden, es betend behüten, es segnen.


Die Hirtin ist barfuß. In einem Psalmwort eines Wallfahrtsliedes heißt es: 

Wohl denen, die in ihrem Herzen barfuß zu DIR hin unterwegs sind.

Nun, wir waren mit Wanderschuhen unterwegs, die für unsere Füße genau richtig waren. Das barfuß unterwegs Sein im Herzen hat durchaus statt gefunden. 

Barfuß im direkten Sinne ist dann doch an den Seen des Berliner Umlandes leichter zu verwirklichen.

Ob hier oder dort:

Ich wünsche uns allen gesegnete Wege - wandernd, wandelnd, pilgernd, hütend.

Und ich darf in Berlin eine der wundervollsten Weisen des Hütens genießen.

Praise the Lord, praise holy Goddess. Dank Gott, Mutter allen Lebens, dank den Eltern, die diese verrückte Welt mit so viel Mut, Hoffnung, Zartheit beschenken.