Hier bin ich!

Heute bin ich in Büchel angekommen. Davon werde ich in den nächsten Tagen berichten.

Aber jetzt möchte ich von gestern erzählen.

Sonntags um zehn. Ich gehe in den Gottesdienst, den Els van Vemde, Uli Domay und Gundula Lembke gestalten. 

Eine Art Leitwort ist das biblische Wort für die Woche, ein Christuswort: Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid.

Els liest einen berührenden Text: Hier bin ich. Flucht- und Migrationserfahrungen kommen zu Wort. S. mit einer Fluchtgeschichte Ghana, Lybien ist da. Er ist seit einigen Wochen immer der erste, der kommt. Dann liest Gundula den Bibeltext mit der Einladung zum großen Festmahl: Kommt, es ist alles bereit. 

Da wird die Kirchentüre aufgerissen und mit kräftigem Knall zugeschmissen. J. mit einer Fluchtgeschichte Ghana, Lybien stürmt in die Kirche. Hier bin ich! Er schleudert uns seine Wut und Verzweiflung entgegen. Es ist schwer auszuhalten, zumal er alkoholisiert ist und viele Worte mit f und s gebraucht. Gundula steht gesammelt, präsent und ganz offen da. Sie lässt das, was jetzt geschieht, zu den Texten hinzukommen. Hier bin ich! Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid. 

Ob davon J. etwas gespürt hat, weiß ich nicht. Irgendwann geht er wieder. Die Kirchentüre wird jetzt leiser geschlossen. Der Gottesdienst geht weiter mit einer neuen Ernsthaftigkeit, die dann Uli mit seiner Schlussmusik gekonnt in Leichtigkeit überleitet. 

Am Sonntagnachmittag bin ich mit meiner deutsch-afrikanisch-muslimisch-christlich-atheistischen Familie am See, Burkini und Bikini sind in selbstverständlicher Harmonie.

S. eröffnet uns, dass er in wenigen Tagen nach Guinea Konakri fliegt. Warum denn das, um Himmels willen, zumal er einen Riesenrespekt vor dem Fliegen hat und seine Frau hochschwanger ist? 

S. ist sehr engagiert in der Guinea-Community in Berlin. Einer aus der Gemeinschaft ist todkrank. Aus ärztlicher Sicht hat er noch drei Monate zu leben. Die Community hat entschieden, seinen Wunsch zu unterstützen, dass er zuhause, bei Frau, Kinder, Familie sterben kann. Er ist zu schwach, alleine zu reisen. S. wird ihn begleiten bis er ganz zuhause ist und dann noch einige Tage bleiben. 


Einmal wieder bin ich beeindruckt von der großen und tatkräftigen Solidarität dieser Gemeinschaft.

Hier bin ich. Ich denke an den jungen todkranken Mann, der nach Deutschland kam, um seine Familie zu unterstützen. Und jetzt kehrt er zurück, um zu sterben. 

Hier bin ich, mit meiner Geschichte.

Hier sind wir, mit unserer Sehnsucht nach Frieden, gutem Leben und glückendem Zusammenleben.